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Anne Wagner-Junker

(gesprochen zur Eröffnung am 13.10.1997)

Sinngebung - Formgebung
Sinndeutung - Formfindung

Wilfrid Polke, Düsseldorf
Skulpturen aus Stahl und Eisen
13. Oktober 1997 bis voraussichtlich Januar 1998

 


In der nunmehr zu eröffnenden siebten Ausstellung der AtelierGalerie Aujourd'hui sehen und erblicken wir die Skulpturen eines Düsseldorfer Bildhauers, die uns beim ersten Augenschein schockieren. Sie erfüllen nicht die Forderung an die Werke, die hier bisher gezeigt wurden - sichtbar zu machen, was im gewissen Sinne unsichtbar scheint - die Durchdringung des begrenzten Raumes an sich mit künstlerischen Methoden zur Form zu finden die einer Sinngebung nicht entbehrt, sondern ihrer in sensibelster Weise bedarf. Die als Sinndeutung wahrgenommen werden kann. "Durchschaubar", Durchdringbar, Durch-Sichtig, des Geheimnisses im Inneren nicht entkleidet, aber doch, gewiß, den Schleier etwas gelüftet und neugierig gemacht zu haben, wie Winfrit J. F. Wagners Werke der Transoptischen Struktur oder die sensiblen Raumkörper aus Drahtgeflechte von Liz-Mields-Kratochwil.

Wilfrid Polke, 1932 geboren, Steinmetz und Bildhauer, schuf in seiner Düsseldorfer Werkstatt ein beachtliches plastisches Werk, aus dem wir eine kleine Auswahl zeigen wollen. Die Mühe und die Anstrengung zu dieser Ausstellung konnte auf dem guten Boden langjähriger Freundschaft zwischen Winfrit J. F. Wagner und Wilfrid Polke gewagt werden.

Heute formieren sich hier auf dem grauen, düsteren Betonboden gewaltigere Figuren aus Eisen und Stahl, als wir sie hier bisher zu sehen gewohnt waren.

Wir erfahren vielleicht eine Neugier, die der bisherigen kaum ähnelt und die uns auf andere Weise heftig provozieren mag: 7 Skulpturen im Raum, der genügend Atem für jede einzelne Plastik bietet und doch eine jede auch bedrängt durch die andere neben ihr. Flankierend dazu zwei reliefhafte Arbeiten - dort rechts - gehängt.

Einen Mittelpunkt, um den sich alles bewegt, gibt es nicht.

Aber einen scheinbaren optischen Höhepunkt, der sich aus jedem Winkel des Galerie-Raumes aufbauen läßt: Da begegnet uns zunächst "Euklid", 1989, der uns auf alle weiteren "Raumgestalten" vorzubereiten scheint - indem er uns tief in sein Innerstes blicken läßt und uns zeigt, daß zwar seine geometrischen Elemente und Teile uns beherrschen können, aber der Künstler die gefundenen "Gesetze" skulptural umdeuten kann und eine Figur voller Spannung entstehen läßt.

Doch schon erleben wir eine strenge "Disziplinierung", wenn unsere Blicke sich der vertikal aufgebauten Figur "Nautisches Zeichen" von 1987 zuwenden. Es scheint das Verlangen nach Unruhe und Ausbruch in dieser Plastik zwar spannungsvoll gebannt - im Wissen, daß die Fahrt durch Untiefen und gefährliche Gewässer eindeutiger Zeichen bedarf, um nicht gänzlich sich zu verirren. Doch setzte diese Zeichen immer nur der Mensch, der als erster den Widrigkeiten begegnete und die Gewalten bezwang. So mag eine historische Figur, wie "Leonidas", geschaffen 1991, in der Antike König von Sparta, griechischer Feldherr, für das stehen, was allen Symbolfiguren der Menschheitsgeschichte eignet und ihnen zur Geschichtsträchtigkeit verhalf: ihr Mut, der Herausforderung zu begegnen, ihre Unbeugsamkeit in den Minuten des Zweifels, ihre Standhaftigkeit in den Stunden der Verzweiflung.

Es ist wohl nicht trügerisch anzunehmen, daß die Arbeit des Bildhauers die vor allem physisch schwerste in den Künsten ist. Und so verwundert es auch nicht, zu sehen, daß der Ernst und der Spaß, den Wilfrid Polke ein Leben lang zugleich in seinem Schaffen empfand, Skulpturen hervorgebracht hat, wie "Delphin", 1997 - eine ausgewogene, lustige und spannungsreiche Arbeit in einem. Die Materialbilder "Santorin" (5) und "Austausch" verstärken diesen Eindruck.

Bei genauerem Hinsehen scheint sich also eine Zäsur anzubahnen in dem Angebot an unsere Wahrnehmung - eine Zäsur im Hinblick auf das, was hier gezeigt wird und von wem es geschaffen wurde.

Erfaßbarkeit und Durchdringbarkeit von Kunst in einer großen, unnahbaren und ausufernden Stadt voller Künstler und Kunstsüchtiger erfährt ihre Infragestellung, wenn dem Einzelnen und der Menge die Identifikationsmöglichkeiten genommen werden. Berlin-Mitte als ein Kunst"mekka" von Kunstfreunden und Lebenslustigen aus aller Welt, in den vergangenen Jahren nach der Wende bevölkert und bewandert, steht einzigartig da in dem Versuch seiner Konzentration auf Visionäres - sowohl im künstlerischen Schaffen als auch im Baugeschehen zur geschlosseneren Stadt-Mitte. Zumindest scheint es so und wir haben dies ohne Ängste und mit Unerschrockenheit zur Kenntnis genommen - bis vor wenigen Tagen einer einzigartigen Kunstwerkstatt der endgültige Garaus per Gerichtsbeschluß angekündigt wurde ...
In diesem Sog der Großstadt, wie dem Ab- und Anschwellen der Gezeiten, in diesem Drängen und Suchen, Verwerfen und Wiederfinden, Auf und Ab, nach "Sehen" und "Gesehen" werden, in Zerrissenheit und Geläufigkeit ist die AtelierGalerie als eine Galerie von Künstlern für Künstler gegründet worden, in dieser Konzeption auf Konzentration eines oder nur weniger Kunstwerke, geführt von Künstlern, einmalig in dieser Gegend - sie, die AtelierGalerie steht an einem Wendepunkt.
Soeben beendet wurde die Ausstellung mit Werken von Winfried Schmitz-Linkweiler, der gleichfalls aus Düsseldorf gekommen war, um Berlin zu erkunden und hier auszustellen, der nichts fand, außer einem außergewöhnlich heißen Sommer voller geschlossener oder sich noch schließender Baulücken.

Gegangen ist Peter Voissel, Gründungsmitglied der AtelierGalerie, ein Maler und Architekt mit großem Atem und vollkommen abstrakten Assoziationsgefügen in der Formung und Findung seiner Kunstwerke, nicht frei von asiatischen Einflüssen.
Er gehörte, wie Winfrit J. F. Wagner, zu den Gründern der AtelierGalerie Aujourd'hui und war zweimal mit ganz eigens für diesen Ort, an dem er nebenan sein Atelier führte, geschaffenen Kunstwerken vertreten.

Anne Schäfer-Junker, Edition Aujourd'hui, e-mail: info@aujourd-hui.de

 


Skulptur aus Stahl

 


WILFRID POLKE - SKULPTUREN AUS STAHL

Werke in der Ausstellung:
AtelierGalerie Aujourd'hui, Chausseestraße 35, 10115 Berlin-Mitte,
(Ansprechpartner: W. J. F. Wagner)

Leonidas, Stahl, 1991, 15.000 DM
Wings
, Stahl, 1991, 15.000 DM
Nautisches Zeichen
, Stahl, 1987, 12.000 DM
Euklid
, Stahl, 1989, 7.000 DM
Meteor III
, 1991, 7.000 DM
Wächter
, Stahl, 1996, 4.000 DM
Delphin
, Stahl, 1997, 9.000 DM
Riegel
, Stahl, 1991, 3.000 DM
Santorin
- 5 Materialbilder mit Schmauchspur (Metall), 1991, 3.000 DM
Austausch
, mehrteiliges Relief, 1992, Eisen, 3.000 DM